Freitag, 3. Juni 2016

08 - Samara


27. Mai 2016, Freitag
Fahrtag von Balakovo nach Oktjabrsk
Die Entfernungen in Russland sind schon etwas anders als bei uns. Die Straßen zum Teil auch, so dass es dauert. Ein Zwischen- oder auch Endziel sollte der Nationalpark Khvalyrisk sein. An einem Nationalpark, da müsste es Parkplätze und Möglichkeiten sich zu betätigen geben. Die höchste Erhebung mit 370m Höhe ist hier auch in der Nähe. Also ein lohnenswertes Ziel. Rein in die Rajonstadt. Eine schöne russisch - orthodoxe Kirche empfängt uns im Zentrum.


Gegenüber im Museum fragen wir nach dem Nationalpark. Ein freundlicher Rentner setzt sich in sein Auto, fährt vor uns her und führt uns zum Nationalparkzentrum. Er vermittelt uns an zwei Frauen und plötzlich ist er weg. Danke an den Uneigennützigen! Das sind schöne Situationen, so selbstverständlich und hilfsbereit! Zwei Frauen von der Nationalparkverwaltung kümmern sich um uns. Als ich erwähne, dass wir aus Neustrelitz kommern sagt die jüngeren: ich habe meine ersten vier Lebensjahre in Rechlin verlebt. Es haut mich um, für sie verbindet sich damit ganz wenig. Meine Freude kann sie so richtig nicht verstehen. Ist eben ein Lebensabschnitt, an den sie keine Erinnerungen hat. Ganz normal.

Nationalparks sind hier wohl mehr auf Gruppen und Führungen spezialisiert, auf Individualtouristen ist man hier nicht eingestellt. Der Rest der Wohnmobilisten möchte auch nicht weit laufen, so dass wir beschließen weiter zu fahren.
Bei Oktjabrsk kommen wir in einen langen Stau, Superhandy Klara hat den Blick übers Internet auf den Stau und wir biegen ab nach Oktjabrsk. Eine Stadt ist das nicht, obwohl auf der Baedecker-Karte eingezeichnet. Hier führt eine Eisenbahnbrücke über die Wolga.
In Oktjabrsk, Weg zur Wolga
Wo stellen wir uns hin? Am Dorfspielplatz ist eine ebene und gerade Fläche, hier spielen die Kinder und die Eltern schwatzen miteinander. Wir fragen, ob wir stören und hier übernachten können. Kein Problem kommt als Antwort. Unser Russisch ist immer noch nicht besser geworden, aber die Verständigung klappt schon ganz gut. Liebe Menschen, wir fühlen uns hier in der Fremde ganz sicher.
28. Mai 2016, Sonnabend
Unser nächstes Zwischenziel ist der nächste Nationalpark "Samarskaja Luka". Die Wolga bildet hier in einer weiten Schleife eine riesige Halbinsel. Die beiden Großstädte Togliatti und Samara liegen am Rande. Hier müsste man doch gut stehen und baden können. Da wo wir hin wollen führt ein löchriger Feldweg hin. Wo könnte der Stadtstrand von Schigulowsk sein. Klara findet den Weg und wir werden in der kalten Wolga wieder sauber. Wir könnten hier bleiben, aber der Platz wird am Abend von der Jugend bevölkert werden und ist deshalb für uns nicht so geeignet.
Ich versuche vorm Baden auf einen kleinen Felsen zu wandern. Auf direktem Weg geht das nicht. Alle früheren Wege sind mit Wohnhäusern zugebaut. Es gibt von hier aus keinen Weg auf den Felsen, der nur rund 400m entfernt ist. Überall Grenzen durch Grundstücke. Am Wasser kommt man auch nicht entlang. Schade!
Wolgabadestrand

Auf die Felsen kommt man von hier aus nicht. Schade!

Am späten Nachmittag weiter nach Samara. 1,2 Mio Einwohner. Da kann man nur an einem Hotelparkplatz stehen. Die Platzsuche klappt fast auf Anhieb. Ok, kein schöner Platz, dafür aber sicher, eben und in der Nähe der Stadtpromenade.
Ein Glücksgriff! Mein Gott, was ist hier los! Lebensfreude pur. So viele Leute sind unterwegs, Inliner brausen über die Promenade, kleine Seagways rollen motorgetrieben entlang, Radfahrer schlängeln sich durch die unzähligen Spaziergänger. Eis- und Getränkestände sorgen für das leibliche Wohl.



Sonnabend Abend - sehen und gesehen werden - ein Wimmelbild - Freund Goethe würde sagen: hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.
Wir landen zum Schluss in einer Gaststätte mit Live-Musik. Es ist unglaublich schön hier.

Hinten - unsere Band


Hier vorn schlafen wir und werden oben von der Geistlichkeit behütet

29. Mai 2016, Sonntag
Nach dem Frühstück Fahrräder raus und die Stadt erkunden. Heute ist Samara-Marathon, 10km Inlinern war auch dabei. Das wärs gewesen nach 12x Berlin-Marathon auf acht Rollen, hier in Samara rollen. Am Ziel ist noch die Abschlussparty. Freude pur.

Wir rollen mit unseren Elektrofahrrädern an der Schiguli-Brauerei vorbei immer weiter die Promenade entlang bis zum Flusshafen für die Kreuzfahrtschiffe. Überall freudige Menschen, die die warmen Temperaturen, die Sonne und den Sonntag genießen.
Ein Flußkreuzfahrer legt an
Durch eine Blamage bilden wir uns weiter. Auf dem Balkan und in der Türkei gibt es Raki, das ist hochprozentiger Alkohol. Hier gibt es auch Raki, das sind aber eingelegte Krebse wie wir jetzt wissen. Petra deutet durch Handzeichen und den Begriff Alkohol an, ob diese den wenigstens in Alkohol eingelegt sind damit sie sich Raki nennen dürfen. Ungläubiger, mitleidiger Gesichtsausdruck der Verkäuferin. Also Klara fragen: Krebs = Rak. Aber Krebse = Krabi.


Als die deutsche Wehrmacht vor Moskau stand, wurde Samara, für den Fall des Verlustes Moskaus, als Ersatzhauptstadt festgelegt. Teile der Militärverwaltung, das Außenministerium, das gesamte diplomatische Korps wurden nach dem damaligen Kuibyschew verlegt. Zu Sowjetzeiten war Kuibyschew, heute wieder Samara, für Ausländer gesperrt. Aus dieser Zeit stammt der Stalinbunker, angeblich der tiefste Bunker der Welt. 1942 unter der Kunstakademie in nur neun Monaten fertiggestellt und bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion nur ganz wenigen Leuten bekannt. diejenigen, die den Bunker bauten haben nicht lange gelebt. Absolute Geheimhaltung.
Mit einer Gruppe zusammen steigen wir 37m nach unten. Zweckmäßig eingerichtet, hier will keiner über längere Zeit freiwillig leben. Ob Stalin jemals hier war, ist nicht bekannt.





Das Zimmer für Stalin

Konferenzraum



Der Eingang zum Bunker

Der Bahnhof von Samara ist mit seinem 86m hohen Turm als höchstes Bauwerk dieser Art beschrieben. Also, nichts wie hin. Es ist ein moderner Bahnhof. Hinein geht es durch Sicherheitsschleusen. Nach oben gelangt man nur mit Anmeldung und in Begleitung. Der Sinn dieses Turmbauwerkes erschließt sich mir nicht. Viel umbauter Raum mit wirklich nichts darin, gut unten ein Springbrunnen, das wars.
Bahnhof von Samara

Blick im Turm nach oben

Von oben nach unten

Kuppelkonstruktion, viel Aufwand, wofür?
Petra war auch oben

Gebt Architekten und Politikern Geld, sie fangen was damit an.
Ich war selbst in der Kommunalpolitik, habe aber immer gefragt: Würde ich das mit meinem eigenen Geld auch so machen. In vielen Fällen war meine Antwort: nein.
Am Abend sind wir geschafft, ein Bier mit 8% Alkoholgehalt und ab in die Welt des Schlafes.

30. Mai 2016, Montag
Es sind noch rund 700 km bis nach Tschaikowski, wir liegen gut in der Zeit. Kasan war für den Rückweg vorgesehen, könnten wir jetzt vorziehen. Das finden wir eine gute Idee, so gewinnen wir für den langen Weg nach Hause etwas Zeit. Auf nach Kasan, der Hauptstadt Tatarstans.
Es wird ein reiner Fahrtag. Wieder: russische Weite und russische Straßen.
Ab der Republicksgrenze ändert sich das Bild. Es gibt wieder Dörfer in größerer Zahl, die Dächer sind überall neu, die Fassaden ebenfalls. Wälder sorgen für einen angenehmen Blick, die Straße wird besser. Es wirkt alles organisierter. Hier wird Gas und Öl gefördert, alles etwas wohlhabender.
Oelpumpen bei der Arbeit

Bis Kasan schaffen wir es nicht. In Chistopol an der Kama ist ein schöner Stadtstrand mit Park und Bademöglichkeit. Hier können wir gut bleiben. Nur der straffe Nordostwind stört. Mit jungen Leuten haben wir ein sehr nettes Gespräch per Händen und Füßen und Übersetzungshilfen. Sie würden uns gern morgen die Stadt zeigen.
Chistopol - Kirche und Park




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