Montag, 23. Mai 2016

06 - Stalingrad


18. Mai 2016, Mittwoch
Fahrtag bis nach Belaya Kalitva (41.000 Einwohner, Rajonhauptstadt). Hier mündet der Fluß Kalitva in den Siwiersky Donez.
Ab Rostow am Don regnet es fast ununterbrochen.
Einfahrt nach Rostow am Don - Denkmal Bürgerkrieg 1918


Rostow am Don - Stadionbaustelle Fußball WM 2018 

Vor der Apotheke in Belaya Kalitva

In Belaya Kalitva schwimmen die Straßen, so stark ist der Regen. Vor Kirche, Apotheke und Museum ist ein waagerechte Platz für beide Womos.
Der Regen prasselt aufs Dach und uns in den Schlaf.

19. Mai 2016, Donnerstag
Nach dem Aufstehen gehe ich mit dem Fotapparat durch die Umgebung. Am Museum klopft es von innen. Ich unterhalte mich mit einer älteren Frau, Familiengeschichte, eine Tochter ist seit Jahren in München Juristin. Sie war schon per Bus dort bei ihrer Tochter. Bus Kalitva nach Moskau und von dort weiter mit dem Bus nach München. Wir sollten doch auch ins Museum kommen. Es öffnet um 9.00 Uhr. Punkt Neun stehen wir vorm Museum und erhalten eine persönliche Führung, auf russisch, verstehen aber viel von dem was uns erklärt wird. Der Führer spricht einige Brocken deutsch, in der Schule zu Sowjetzeiten gelernt! Deutschfeindlich? Nein eher deutschfreundlich. Der historische Teil für meine Begriffe durchaus ausgewogen, die Rolle Stalins durchaus kritisch. Der Afghanistankrieg der Sowjetunion wird aufgearbeitet. Im Ort selbst erinnert ein Denkmal an 2 1/2 Millionen Tote im Dongebiet durch Repression und Terror.
Museum

Denkmal Repression und Terror

Fahrtag bis nach Wolgograd / Stalingrad. Es regnet weiter und es geht über fast 250 km durch menschenleeres Land. So lange sind wir am Stück noch nie geradeaus und vorbei an riesigen Feldern gefahren, nur unterbrochen durch Baumstreifen /-alleen als Schutz vor Winderosion. Russische Weite. Das flache Land ist nicht etwa nur flach, sondern sanft gewellt mit durch abfließendes Wasser eingeschnittenen Mini-Tälern. Täler kann man nicht sagen, sie sind ja nur bis zu 10m eventuell auch 15m tief. Beeindruckend, schön, muss man gesehen haben.
Alle 15 bis 20km kommen wir an eine Tankstelle vorbei. Dann gehts weiter durch das russische Nichts. Rechts und links ganz selten ein Dorf / eine Stadt. Diese riesigen Felder müssen ja auch bearbeitet werden.

Der Don - zum letzten Mal
Vor Wolgograd werden die Straßen schlechter, hier wird gebaut und instand gesetzt. Wasser gefüllte Querrinnen sorgen für Wasserschwälle durch entgegenkommende Laster. Manchmal fahren wir wie blind.
Ortseingang Wolgograd - Stalingrad

Für die Übernachtung haben wir uns auf Superklara´s Karte einen Yachtklub an der Wolga im Süden ausgeguckt. Den gibt es auch. Die Zufahrt katastrophal und dann der Hinweis vom Wachpersonal: hier könnt ihr nicht stehen. Wieder zurück durch mit Wasser gefüllte Schlaglöcher. Hier sind in den letzten Jahren im Uferbereich die Betriebe aufgegeben worden und die Wolga wird nach und nach für alle zugänglich. Aber soetwas dauert eben.
Reisender, kommst du nach Stalingrad - zeige Demut.
Es regnet weiterhin stark. In einem Wohngebiet mit Wolgablick werden wir übernachten. Unten, unmittelbar am Ufer sind Gaststätten. Da gehen wir heute Abend hin. Ich gehe runter auf Erkundungsgang. Es regnet, die Wassermassen haben jede Menge lehmige Erde mitgebracht. Ich rutsche aus. Damit ist kein Abendessen in einer Gaststätte mehr möglich.
Zurück am Auto kommt ein Pärchen an und wir hören wieder deutsche Sprache. Echte Freude auf beiden Seiten hier Landsleute zu treffen. Lehrerehepaar, vermitteln hier seit sechs Jahren die deutsche Sprache und nehmen das deutsche Abitur ab, so das die Schüler sofort an einer deutsche Universität studieren können. Russische Wirklichkeit und das was sie am Abend im ZDF über Hotbird sehen sind zwei verschiedene Dinge. Die Frage nach der manipulierten deutschen Presse tut sich auf. Das denke ich manchmal auch. Andererseits wissen wir alle, das der Leser / "Fern"seher eher auf spektakuläre , also Artikel / Sendungen mit negativem Inhalt, reagiert. Und bei dem Streben nach Quote, Einschalt- und Verkaufszahlen kommt dann nicht die Realität sondern das reißerisch Negative als Realität rüber. Ich glaube nicht, dass das bewußt gesteuert ist.
Mit Achim und Heide hätten wir uns sehr gern weiter ausgetauscht. Auf Grund meines lädierten Kleidungszustandes haben wir leider nicht den Nerv, die Einladung heute anzunehmen. Schade, Schade! Wir stehen über Email in Verbindung und haben tolle Hinweise für die weitere Reise erhalten. Danke!

20. Mai 2016, Freitag
Sonnenschein und schönes Wetter! Mit den Fahrzeugen zum Flusshafen. Von hier in die Innenstadt zum Kaufhaus GUM. Hier hatte Generalfeldmarschall Paulus sein Hauptquartier beim Kampf um Stalingrad. Gute, nicht einseitige Ausstellung. Beim Lesen von Briefen von Wehrmachtsangehörigen, diese sind natürlich auf deutsch, kommen die Tränen. So ein sinnloser Scheiß!
Eine einstündige Bootsfahrt auf der Wolga, Stadtbesichtigung vom Wasser aus.
Sonne an der Wolga

Mütterchen Wolga

Auf See, oder auf Fluß, jetzt zur Veröffentlichung dieses Posts sagen wir wegen der Breite fast regelmäßig Meer.

Im Fenster - ein Karat!

Mutter Heimat ruft

WM 2018 Stadion - Kirche - Mutter Heimat

Reisende
Steve Jobs am Flusshafen

Weiter zum Mamajew-Hügel. Monumental und durchaus angebracht. Im Winter 1942/43 tobte hier die erbitterste Schlacht des zweiten Weltkrieges. 700 000 Tote allein im Kessel von Stalingrad! So ein Wahnsinn! Und das ist nur ein kleiner Teil des zweiten Weltkrieges. Natürlich werden wir als Deutsche erkannt, kein Hass!

Russisch-orthodoxe Kirche auf dem Marmajew-Hügel - geweiht 2005





In der 2005 geweihten russisch-orthodoxen Kirche kommen wir mit dem Popen ins Gespräch. Zweit Töchter als Offiziere bei der russischen Armee. Seinen Freund, Wolgadeutscher ausgesiedelt 1991 nach Deuschland, besucht er manchmal in Passau. Schönes Gespräch mit mangelhaften Sprachkenntnissen. Gutes über Deutschland und Gutes über Russland!
Im Stalin Museum auch hier wird ausgewogen dargestellt.


21. Mai 2016, Sonnabend
30km nordwestlich von Wolgograd befindet sich die Kriegsgräberstätte Rossoschka. Dort wollen wir hin. Rossoschka unserer Superklara mitteilen und dann führt sie uns hin. Der Weg, den sie sich ausgesucht hat endet für uns kurz nach der Abfahrt von der Fernstraße nach Moskau. Diesen Weg über zerlöcherte Straßen können wir nicht fahren.
Russischer Soldatenfriedhof am Wege! Es gibt unzählige davon

Nachdem wir Klara per Internet befragt haben erscheint die Seite des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dort steht die Anfahrtsbeschreibung. Zum Flugplatz Gumrak und dann 17km geradeaus. Das funktioniert auch.
Über den Flugplatz Gumrak könnte Uli´s Vater ausgepflogen worden sein. Er hat Glück gehabt, er war verletzt! Der Granatsplitter hat ihm das Leben gerettet. Irrsinn des Krieges. Über seine Erlebnisse dort hat er nie gesprochen!







Hier in Rossoschka sind über 50 000 Soldaten begraben, die Namen von über 100 000 vermissten deutschen Soldaten sind auf Granitwürfeln verewigt. Fast automatisch suchen wir nach den Nachnamen der eigenen Familie.

"Die Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens" (Albert Schweitzer)

Überwältigt, nachdenklich, wütend, demütig, traurig, fassungslos verlassen wir diesen schlichten und würdigen Ort.

1 Kommentar:

  1. Auch heute werden noch Menschen manipuliert um zu töten. Es stimmt mich traurig zu sehen zu welchen sinnlosen Schandtaten doch "intelligente" Menschen fähig sind. Früher und auch heute. Ich wünschte ich könnte mehr dazu beitragen um den Frieden für a l l e Menschen erreichbar zu machen. Wozu Waffen wenn es keine Kriege mehr geben würde, was würde zum Wohle aller Menschen mit den dann freien Ressourcen alles möglich werden.
    Euch weiterhin eine gute Fahrt und alles Gute.
    Angelika und Bernd

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